viernes, 30 de diciembre de 2011

full range Buenos Aires

Gestern habe ich meinen Mietvertrag dann unter Dach und Fach gebracht.   Das war wieder einmal das reinste Ereignis.   Wir machen uns keine Vorstellung.   Alles wird nur 100% vorausbezahlt und bitte
bar natürlich und bitte in US Dollar,  an den Euro glauben sie grad nicht so recht, wen wundert es, und überhaupt sind US Dollar angesichts der erwarteten Abwertung und der strikten Deviseneinfuhr Bestimmungen dann einfach praktisch.  Bei 15% Abwertung zucken sie noch nicht mal die krisenerprobten Argentinier - sie haben eine echte "Survivor" Mentalität.  Also gut - der Vertrag ist natürlich auf Spanisch - Übersetzung - wieso, das verstehst du doch.  Ach so,  wenn ihr meint.

Es war lustig.  Frauenpower.   Business Buenos Aires style.   Dolores, die meine Firma vertrat und die Dollar Röllchen aus der Tasche kramte,  Martina,  von der Agentur der Vermieterin,  sieht aus wie ein Mädchen und ist 3fache Mutter,  Christina, die Freundin der Vermieterin.    Ich schau uns vier an und denke and die 4 Archetypen der Frau und muss lächeln, weil die Mischung individuell ist und jede von uns jede in sich hat, wie in dieser Vierer Runde ganz offensichtlich wird.  Martina erzählte dann mal eben nebenbei, dass dieses Jahr schon ihr drittes Pferd gestorben ist - die Familie spielt Polo und der Papa züchtet Pferde,  ich kann ja mal kommen.  Ich denke mir wie dick die Röllchen wohl wären,  wenn ich länger als bis März gemietet hätte.    Vielleicht verlängere ich ja noch -  bleibt abzuwarten, es ist unklar,  was und viel wichtiger wer im März in Europa auf mich wartet.

Nach der Geldübergabe überreicht mir Martina mein Einzugsgeschenk - aha die argentinische Version der fränkischen Granatsplitter.... sehr lecker,  zum Glück viel kleiner und ich freu mich so über die Geste auch wenn ich gar nicht so süß veranlagt bin.



Wir plaudern also munter vor uns hin, während wir der Reihe nach Röllchen von Pesos etwas dicker wegen ungünstigen Konvertierungsrate und Röllchen von Dollars zählen.   Ich erzähle von meiner ersten Tango Stunde mit Natan am Mittwoch nach der Arbeit.   Schwebend bewegte ich mich danach aus dem Studio.   Mit geschlossenen Augen in der Musik, der Bewegung und der Führung des Partners versinken.   In einer anderen Welt.  Christina will ganz genau wissen, wer denn das ist, und ist dann beruhigt zu hören,  es handelt sich um eine Familie in der der Tango zuhause ist.   Der Papa von Natan leitete früher Tango Orchester,  Natan selbst träumt davon Tango Sänger zu werden und kam eigentlich über die Musik zur Bewegung und zum Tanz.   Das Studio ist also solches nicht zu erkennen,  man muss schon eingeweiht sein,  um zu wissen,  wo man da klingelt und dass sich hinter dieser unscheinbaren Fassade genau das befindet.   Ich habe das Gefühl ich bin mitten in der geheimen,  echten Welt des Tangos in Buenos Aires.   22 Pesos kostet die Stunde mit Ventilator,  mit Air Con ist ein Zuschlag fällig,  ein Kaffee kostet 5 Pesos - also 90 Cent.  

Christina schaut mich dann noch ernst an und sagt,  sie bringt mich jetzt mit einer Freundin in Verbindung, die auch tanzt,  sie wechselt zwischen Spanisch und Englisch uns ich sehe ihr an,  wie sehr sie sich freut über das internationale Flair,  das Einzug gehalten hat.   Die Freundin ist wichtig,  damit ich mit der auf die Milongas gehe, und zu den richtigen,  denn ansonsten gehen ja nur Prostituierte alleine auf Milongas.   Ich hebe meine Augenbrauen und denke hab ich richtig gehört?  Es ist einen Moment lang still,  nur Dolores raschelt noch beim dritten Röllchen Dollars.  Der Co-Active Coach und in mir liest die Stille, bewusst auskostend alles was im Level 3 und 4 zu finden ist - das ist auch gerade Wochen Hausaufgabe in der Leadership Ausbildung - Dolores und Martina beide selbstverständlich Ehefrauen und mehrfache Mütter,  die aus mir eh nicht schlau werden,  sehen mich betreten und erwartungsvoll an, ich denke,  die denken ich bin naiv und ich denke,  es fehlt ihnen Offenheit und sie sind unfrei und alles ist richtig und alles ist falsch.  Dann frag ich mich, wer weiss vielleicht war von den Dreien seit Jahren keine mehr auf einer Milonga... oder eben gerade?  Verrucht ist er also auch noch der Tango,  was denn noch alles.  

Robert Duvall wäre ja nur einer der berühmten Hollywood Stars,  der regelmäßig hier Stunden nimmt fährt sie fort nachdem klar wird,  ich sage dazu nichts und so zählt sie mir viele Namen von Tangolegenden auf,  die faszinierende Christina und schließt dann ab mit eigentlich ist es ja mal ein armer Leute Tanz gewesen - und ja es ist der Tanz des argentinischen Volkes.    Loca por el Tango.

Und dann freu mich einfach,  dass Christina sich solche Gedanken macht um mich, die Deutsche,  die sich hier ja einfach noch nicht auskennt und dass ich sie zum ersten Mal, seit ich sie kenne so ins Reden gebracht habe - da lodert also auch eine kleine Tango Flamme und in meiner Vorstellung sehe ich sie nach Hause gehen und ihre Tango Schuhe her suchen.

Sie hat bestimmt das xte Facelifting hinter sich und bei mir spannt sich die Haut so - wie wenn man nach dem Duschen das Eincremen vergisst und ich habe ein ganz merkwürdiges Gefühl beim Anschauen des maskenartigen Gesichts aus dem so warme Augen strahlen. Überhaupt habe ich entdeckt,  dass sich in meinem Viertel 50% der Dermatologen und Laserspezialisten befinden müssen.    Ein Irrsinn.   Aber ein Volk in der südlichen Hemisphäre,  das von hellhäutigen Europäern abstammt,  und sich seit Generationen der Sonne ausgesetzt sieht,   hat hier eventuell einen anderen Bedarf.    Ich versuche milde zu bleiben mit meinen Argentiniern.



Ins Tangostudio kann ich laufen,  und das lass ich mir in Buenos Aires auch nicht abgewöhnen, ich laufe eben gerne,  weil ich da viel mehr mitbekomme . so wie ich ja überall hinlaufe und habe gestern nacht das erste Mal in Ruhe von einer Bank aus beobachtet,  wie sich diese Stadt wandelt,  sobald die Cartoneros übernehmen.    Natürlich ist es nicht wie in Europa und man muss eben aufmerksamer sein und ich laufe so,  als gehörte mir Buenos Aires,  ich war schon immer da und gehöre hierhin.  Ich hatte noch nie eine komische Szene.

Ja sie ist überall die Armut und so wie ich gehe and allen direkt ins Gesicht sehe,  wie hier üblich - klasse endlich frei Menschen anstarren - mit meiner lokalen Kluft sieht mir keiner an, dass ich ganz fremd bin.   Und das ganz merkwürdige ist,  ich fühle mich auch nicht fremd,  warum auch immer es ist mir vertraut.

Ganze Familien leben auf der Strasse und ich dachte zuerst,  wieso läuft denn da ein Fernseher am Strasseneck - das ist eben dann das Wohnzimmer der Familie,  sie schauen dich direkt an,  ich weiß nicht was ich lese in den Gesichtern,  rüber kommt,  das ist alles ganz normal.   So habe ich Jorge zu der Abfalltrennung gesprochen.   Jorge ist der Portier und Wächter meines Mietshauses und Mann für alles - Jorge ich muss ein Fax schicken wo geht das,  Jorge wo fährt der Bus zur Diagonal Norte  Jorge in meinem Bad riecht es so komisch kannst du kommen und nachsehen,  Jorge wo gibt es ein vernünftiges Fitnessstudio....  und er liebt meine Fragen.   Also ich habe Jorge gefragt,  ob wir ihn nicht vortrennn können, den Abfall für die Cartoneros,  damit die nicht wühlen müssen,  und sie tun es ohne Handschuhe.

Punkt 20:00  stellen alle perfekt verschlossene Mülltsäcke auf die Strasse,  dann übernimmt die die Nachtschicht von Buenos Aires die Stadt,  die Cartoneros - es gibt 40 000 in der Stadt,  es ist organisierst,  von wem will mir keiner genau erklären oder mein Spanisch reicht wieder nicht.  Jeder weißt genau,  welche Strasse er bearbeitet.  Sie reissen alles auf und trennen den Müll auf der Strasse per Hand.  Sie haben keine Handschuhe an.    Punkt 20:30 sieht es je nach Ergiebigkeit der Müllsäcke aus wie auf einem Schlachtfeld.

Also Jorge findet die Idee nicht schlecht und will eine Zettel aufhängen im Haus,  ich habe natürlich ganz brav deutsch schon Papiertüten fürs Papier usw und bin Vorbild und hoffe so sehr eine Inspiration,  weil ich demonstrativ 3 verschiedene Tüten abstelle.  Als nächstes werde ich Jorge überreden, er soll doch bei der nächsten Sitzung - ich merke gerade ich gehe davon aus,  es gibt eine Sitzung - wenn nicht sollten sie eine haben die Portiers im Viertel - alle anderen Kollegen überzeugen,   dass auch in ihren Häusern der Müll getrennt wird,   das wäre doch leichter für die Cartoneros.

Es ist ein rätselhaftes Land,  dieses Argentinien,  so ein schönes und reiches Land,  die Menschen sind fantastisch,  gebildet und liebenswert,  intuitiv, warm,  menschlich, der Boden reich an Schätzen,   5ooo Kilometer von Nord nach Süd - riesengroß,  einst das fünftreichste Land der Welt... das Potenzial ist enorm.  Immerzu sehe ich überall Potenzial.

Jetzt noch ein Ausblick auf alten wiederhergestellten Glanz,   der neben der Armut und dem Verfall stolz existiert.   Ein Blick aufs Teatro Colon.


Unglaublich.  Was für ein Abend das war.   Ballett ist an sich nicht mein Fall,  viel lieber Modern Dance und es war atemberaubend.   Es gab El Corsario mit der fantastischen Ballerina Paloma Herrera.

http://www.teatrocolon.org.ar/es/index.php?id=ballet/elcorsario

Das Theater hat Weltruhm und das nicht zufällig.   Das ist noch mal einen ganz langen Eintrag wert.   Unter der Bühne und weit unter die Avenida 9 de Julio reichend - die Avenida 9 de Julio ist die breiteste x-spurige Hauptschlagader durch Buenos Aires,  befinden sich die Räume der Kostüm-, Bühnen,   und Maskenbildner usw.   Es gibt eine Führung, zu der hatte ich noch keine Zeit und das steht auf dem Programmzettel.  

In der Pause des Balletts läuft mir Indi beim Staunen und Fotografieren über den Weg.  Wir halten uns nicht mit Vorstellen auf sondern sind sofort im gemeinsamen Rausch - hast du schon den Raum mit dem Chandelier gesehen - schau mal aus der Perspektive kriegt man die Tiefe des Raumes besser hin,  findest du das auch so atemberaubend usw.  Indi ist aus Sydney.   Wir zwei konnten uns nicht sattsehen an den Perspektiven und Fluchten und haben uns ständig gegenseitig inspiriert und fotografiert - natürlich haben wir uns aufgeregt wie Kinder,  die etwas Verbotenes tun,  auf die luxuriösen Sofas gesetzt,  auf denen man nicht sitzen darf - two of a kind.   10 Minuten ad hoc verbündet und sofort wieder auseinander die Wege.   Die Platzanweiser werfen uns schliesslich hinaus und wir schaffen es gerade noch zum Vorhang.   

Während Paloma auf der Bühne zaubert,  denke ich eine ganze Weile darüber nach,  wem man wann begegnet im Leben,   an wem man vorbeigeht,  wer an einem vorbeigeht,  wen man wieder trifft, mit wem man bleibt im Leben und wie lange.   Und ich denke wieder nach, was Zeit eigentlich ist und komme zum immer gleichen Schluss.   All we have is now. 

1 comentario:

  1. Freu mich schon deinen Blog jetzt zu verfolgen. Just in Time :-)

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